Ist Bulgarien das älteste Land Europas? Aufgrund von DNA-Bestimmungen ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass die Wanderungsbewegungen, durch die Europa von ersten „modernen“ Menschen besiedelt wurde, durch die Gebiete des heutigen Bulgarien geführt haben müssen. Auch das „älteste Gold der Welt“ wurde in einem Gräberfeld an der bulgarischen Schwarzmeerküste gefunden - Relikte einer verschwundenen Kultur, von der so gut wie keine weiteren Zeugnisse blieben sind.
Viel besser dokumentiert sind indessen die spätantiken Befestigungen und frühmittelalterlichen Siedlungen an der unteren Donau. Seit 1958 haben deutsche und bulgarische Archäologen das spätantike Kastell Iatrus gemeinschaftlich ausgegraben und erforscht. Das vom römischen Kaiser Konstantin I (dem Großen) errichtete Kastell existierte bis zur Aufgabe der römischen Provinzen an der unteren Donau um das Jahr 600. Auf deutscher Seite waren an den Grabungen von Anfang an Wissenschaftler zunächst des Berliner Instituts für Griechisch-Römische Altertumskunde und später des Zentralinstituts für Alte Geschichte und Archäologie der Akademie der Wissenschaften der DDR tätig. 1992 wurden diese Forschungen von der Römisch-Germanischen Kommission des deutschen Archäologischen Instituts in Frankfurt am Main weitergeführt. Heute liegen die Forschungen federführend bei Dr. Sven Conrad am Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Tübingen.
Die gemeinsamen Grabungen sind exzellent schriftlich dokumentiert und begründen bahnbrechende Einsichten in die Geschichte des Donaulimes und des ansonsten wenig erforschten römischen Einflusses auf die regionale Siedlungsgeschichte am Unterlauf der Donau. Indessen ist Iatrus das einzige Forschungsobjekt am römischen Limes, das im Ausland unter deutscher wissenschaftlicher Beteiligung erforscht wurde. Damit steht die Grabungsstätte des Kastells exemplarisch für jahrzehntelange deutsch-bulgarische Kooperation, die noch heute andauert.
Die Iatrus-Grabungen spiegeln archäologisch die nach der deutschen Wiedervereinigung vom Deutschen Archäologischen Institut erfolgreich wiederaufgenommenen Forschungen der Akademie der Wissenschaften der DDR, deren wichtige Ergebnisse von den bulgarischen Partnern sowie von der internationalen archäologischen Wissenschafts-Community weithin anerkannt sind.
Sofern es gelingt, für die schon vorliegenden Erkenntnisse breitere öffentliche Aufmerksamkeit zu erschließen und die denkmalgerechte Gestaltung des Platzes zu unterstützen, wäre eine Aufnahme des Kastells am Donaulimes in das Weltkulturerbe der UNESCO aussichtsreich.
Das Deutsch-Bulgarische Forum verfolgt die Entwicklung mit großer Aufmerksamkeit und spricht sich nachdrücklich für eine Förderung der noch ausstehenden Abschlussarbeiten aus, die zugleich eine Basis für weiterführende Forschungen in bulgarisch-deutscher Kooperation sein können.